Um diese Fragestellung geht es am Montag, 25.09, im Aschaffenburg Rathaus. Eine Kommission der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen in Bayern e.V. – kurz: AGFK – besucht Aschaffenburg und soll die Stadt als fahrradfreundliche Kommune bewerten.
Auch MdL Dr. Hans Jürgen Fahn (Freie Wähler) wurde angesprochen, in der Kommission mitzuwirken. Ein Grund für Fahn, sich die Stadt Aschaffenburg in Puncto Fahrradfreundlichkeit schon mal im Vorfeld unter die Lupe zu nehmen. Unterstützt wurde er dabei von einem seiner Mitarbeiter, der selbst seit einigen Jahren aufs Fahrrad umgestiegen ist und seine Besorgungen im Stadtgebiet und im direkten Umland weitgehend auf zwei Rädern erledigt.
Meine Meinung: auf dem richtigen Weg, aber noch lange nicht gut genug.
Im Gegensatz zum reinen „Freizeitradler“, der für seine Bewegung in freier Natur beispielsweise die Fahrradwege am Mainufer oder über die Großmutterwiese in die Fasanerie nutzt, um sich dort zu erholen, hat der „Alltagsradler“ komplett andere Anforderungen.
Auf der täglichen Fahrt zur Arbeit hat er in der Regel „seine“ Stammstrecke gefunden, auf der er schnell und sicher vorankommt. Anspruchsvoller wird die Fahrt bei Erledigungen außerhalb von Routinestrecken. Wie komme ich von der Innenstadt zum Finanzamt, um meine Steuererklärung abzugeben? Welche Strecke nutze ich von dort zum nächsten Discounter, anschließend zum Arzt und danach zum Verwandtenbesuch nach Nilkheim? Und das alles möglichst ohne mich besonderen Gefahren auszusetzen oder unter die Räder zu kommen.
Um im Alltag mehr Menschen aufs umweltfreundliche Fahrrad zu bewegen, wird eine parallele Radinfrastruktur erforderlich, die sowohl den Freizeit- wie auch den Alltagsradlern ein müheloses und vor allem gefahrloses Vorankommen im gesamten Stadtbereich ermöglicht. Eine gute Radinfrastruktur nützt nicht nur den Radlern, sondern hilft auch, Konfliktsituationen zwischen Radfahrern und Autofahrern oder Fußgängern zu vermeiden, über die in der Vergangenheit immer wieder berichtet wurde.
„In der Tat wurde in den vergangenen Jahren in Aschaffenburg in Sachen Fahrradfreundlichkeit Einiges getan“ stellt Fahns Mitarbeiter bei seinen täglichen Fahrten fest. Vieles davon nimmt man als selbstverständlich in Anspruch, ohne es bewusst wahr zu nehmen. Hierzu zählen beispielsweise die sog. „Miteinanderzonen“ im Schöntal und in der Fußgängerzone, die Möglichkeit, Busspuren zu nutzen oder die Schutzstreifen, die es ermöglichen, an wartenden Fahrzeugen rechts sicher vorbeizufahren. Zahlreiche Beispiele zeigen aber auch, dass noch viel zu tun ist.
Wenn im Bewertungsbogen für die Aufnahme als fahrradfreundliche Stadt der Durchgang durch den Hauptbahnhof als „optimale Verbindung zwischen dem Stadtteil Damm und der Innenstadt“ angepriesen wird, dann ist das einfach fernab jeglicher Realität. Denn gerade in der Unterführung sind bei Ankunft und Abfahrt von Zügen Konflikte zwischen Reisenden und Radlern nahezu vorprogrammiert – selbst dann, wenn das Rad durch den gesamten Bahnhofsbereich „nur“ geschoben wird. Zudem sind die Aufzüge zu klein und besonders für Eltern mit Kinderanhänger ungeeignet. Sie müssen die wesentlich gefährlichere Strecke über die Glattbacher Überfahrt oder durch das Dämmer Viadukt in Kauf nehmen.
Die vorliegende Mängelliste mit rund 350 Einzelpositionen bestätigt, dass das Ziel einer optimalen Fahrradinfrastruktur bei Weitem noch nicht erreicht ist. Bemängelt wurden unter anderem Konflikte in Kreuzungsbereichen und Kreisverkehren, schlechte Rot-Grün-Phasen-Abstimmungen an Ampeln und fehlende Bordsteinabsenkungen
Positiv erwähnenswert findet Fahn die 1. Fahrradstraße in Aschaffenburg, die sog. „Brentanoachse“, die den Stadtteil Schweinheim und das neue Wohngebiet am Rosensee mit der Innenstadt verbindet. Beim Abfahren der kompletten Strecke erweist sich diese allerdings als Stückwerk und nicht durchgängig. Nicht nachvollziehbar ist zum Beispiel, warum diese Fahrradstraße ausgerechnet im Bereich der Brentanoschule unterbrochen wird, wo gerade den Schülerinnen und Schülern der besondere Schutz einer Fahrradstraße zu gute kommen würde. Dennoch wünscht sich Fahn, dass das Modell der Fahrradstraße Schule macht und im Stadtgebiet weitere Verbindungen dieser Art entstehen. Denkbar wäre beispielsweise Bike&Ride-Pendlern auf diese Weise den Weg zum Hauptbahnhof zu erleichtern.
Zu einer fahrradfreundlichen Kommune gehört aber nicht nur eine entsprechende Verkehrsinfrastruktur, sondern auch eine positive Einstellung von Politik und Bevölkerung gegenüber den Pedalrittern, sowie eine gegenseitige Akzeptanz auf Augenhöhe. Auch hier sieht Fahn noch einigen Nachholbedarf. So klagen Fahrradler immer wieder über zugeparkte Fahrradwege, die auch von Polizei und Ordnungsamt nicht immer genügend nachverfolgt würden.
Wenn es am 25.09. darum geht, der Stadt Aschaffenburg das Prädikat „fahrradfreundliche Stadt“ zu verleihen, so ist Fahn noch unschlüssig. Vorbehaltlos zustimmen will Fahn aufgrund der aufgezeigten Mängel derzeit nicht. Die Auszeichnung abzulehnen wäre jedoch auch das falsche Signal – betrachtet man die bisher erzielten Erfolge. Sie belegen: „Aschaffenburg ist auf dem richtigen Weg“.
Vorstellbar wäre auch eine Zustimmung „unter Vorbehalt“ mit dem klaren Hinweis, die Auszeichnung nicht als Freibrief zu sehen, um dann die Hände in den Schoß zu legen, sondern weiterhin kontinuierlich und aktiv an der Verbesserung der Situation zu arbeiten. Dazu gehört auch der stetige Dialog mit den Betroffenen, i. B. dem ADFC, der in Aschaffenburg vorbildliche Arbeit leistet.
Aber es gibt noch viel zu tun. Sich mit der Auszeichnung in der Hand auf seinen Lorbeeren auszuruhen, wäre sicherlich das falsche Signal.
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