AGABY – Fachtagung in Erlangen mit Podiumsdiskussion „Integration vorantreiben: Land – Stadt – Landkreis“

Seit Jahren ist unser Land durch die Zuwanderung von Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen geprägt. Viele der zu uns Kommenden wollen auch dauerhaft hier bleiben. Als FREIE WÄHLER wollen wir ihr Potenzial als qualifizierte Fachkräfte oder künftig zu qualifizierende Fachkräfte für den heimischen Arbeitsmarkt noch stärker als bisher nutzen.

Es müssen also die Chancen zum Arbeitsmarkt deutlich verbessert werden, denn nur, wer in Lohn und Brot ist, wird integriert und nicht radikalisiert. Um aber die Gefahr von Parallelgesellschaften zu vermeiden, brauchen wir eine wirkungsvolle Integration. Für uns als FREIE WÄHLER ist klar: Integration findet auf kommunaler Ebene statt.

Landkreise, Städte und Gemeinden sind wichtige Schlüsselfiguren, damit Zuwanderer in Bayern optimal integriert werden können. Es muss klar formuliert werden: Ob Integration gelingt oder misslingt, entscheidet sich in den Kommunen vor Ort. Die finanzielle Förderung der Kommunen bei dieser wichtigen Aufgabe, ist deshalb eine unserer wichtigsten Forderungen. Dabei ist das Erlernen der deutschen Sprache ein entscheidender Motor zur Integration.

Wir sehen Integration als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir wollen, dass die Menschen, die zu uns kommen, Bayern als stark und weltoffen erleben. Nach dem Motto: „leben und leben lassen“ findet jeder Einzelne im Freistaat Raum zur Selbstverwirklichung. Dazu bedarf es des Respekts und der Toleranz gegenüber anderen Lebensentwürfen. Beides zusammen bildet den Kern der bayerischen Lebensart und trägt zu einem friedlichen Zusammenleben und der gesellschaftlichen Einheit bei. Die unterschiedliche Herkunft und der unterschiedliche kulturelle Hintergrund stellen eine Bereicherung für uns alle dar. Bestrebungen, die diese Vielfalt leugnen oder beseitigen wollen, wollen wir entschieden begegnen. Als FREIE WÄHLER Landtagsfraktion sagen wir ganz deutlich, dass Rassismus und Extremismus jeglicher Art keinen Platz in unserem Land haben.

Wir verstehen Integration nicht als Assimilation. Gelingende Integration erfordert von den zu uns kommenden Menschen nicht, dass sie ihre Herkunft leugnen und sich vollständig an die Kultur und Traditionen der Aufnahmegesellschaft anpassen müssen. Eine gelingende Integration lässt auch Raum für Unterschiede und gibt jedem Menschen auch das Recht auf Entfaltung seiner eigenen Persönlichkeit. Dabei sind selbstverständlich die Grundwerte, wie sie in der Bayerischen Verfassung und im Grundgesetz verankert sind, für alle verbindlich. Die Würde des Menschen, die Freiheit der Person, die Gleichheit aller Menschen und die Gleichberechtigung der Geschlechter zählen ebenso wie Rechtsstaatlichkeit und das Recht auf ein selbstbestimmtes und selbstverantwortliches Leben zu den unveränderlichen Grundwerten. Diese Werte müssen daher von jedermann beachtet und eingehalten werden. Nur so kann ein Band zwischen den Menschen unterschiedlicher Herkunft in unserem Land entstehen und sie zusammenwachsen lassen.

Stichpunkte zu den drei Themenblöcken:

1. Ist Integration im ländlichen Raum eine besondere Herausforderung?

Grundsätzliches: Ziel muss es sein, eine ausgewogene Verteilung auf städtische und ländliche Regionen im Einklang mit der heimischen Bevölkerung und den vor Ort vorhandenen Kapazitäten zu erreichen. D.h. Großstädte sind oft wegen der hohen Mieten und der großen Anonymität problematisch (hindert die Integration). Des weiteren ist die Verteilung auf kleine Gemeinden (in Bayern haben 1500 Gemeinden weniger als 1000 Einwohner und daher oft weniger Kapazitäten bzw. Verwaltungsstrukturen) weniger zu empfehlen. Ziel muss es sein Parallelgesellschaften zu verhindern.

Mehr Ja als nein aber trotzdem ohne Alternative:

  • Nein: Bereitstellung von leerstehendem und bezahlbarem Wohnraum ist im ländlichen Raum einfacher als in Ballungsgebieten. (Mehr Leerstand). Forderung Leerständekataster in jeder Gemeinde anlegen und fortschreiben
  • Ja: Abgleichung zwischen Ballungsräumen und Regionen geht auch ohne Migration immer noch weiter verloren. Notwendige Infrastrukturen z.B. im Bildungs- und Gesundheitswesen werden nicht mehr aufrechterhalten.
  • Ja: Allerdings ist die Akzeptanz und Toleranz gegenüber Migranten in der Bevölkerung im ländlichen Raum geringer als in Städten. Der Vorbehalt gegenüber Fremden ist größer.
  • Ja: Die schulische Versorgung wurde durch die Schließung von Schulen und den Abzug von Lehrern in den letzten Jahren in der Fläche ohnehin und ohne Flüchtlingsproblem reduziert, deswegen ist auch Sprachunterricht für Migranten im ländlichen Raum ein Problem.
  • Ja: Die Hausarztversorgung wurde ebenfalls ausgedünnt, deshalb ist auch die gesundheitliche Versorgung problematisch. Für Traumata-Bewältigung stehen zu wenige Fachärzte zur Verfügung. Migranten sind oft nicht so mobil, um die nächste Stadt mit Gesundheitseinrichtungen erreichen zu können.
  • Ja: Hinsichtlich des Erlernens der deutschen Sprache ist oft die ÖPNV-Thematik ein Hindernis, so müssen mitunter lange Fahrtzeiten zu den Sprachkursen in Kauf genommen werden.
  • Ja: Wir brauchen viele neue Wohnungen für Flüchtlinge
  • JA/Nein: Der Zuzug von Asylsuchenden ist für das Land nicht nur Herausforderung, sondern zugleich auch eine Chance (à Mangel an Auszubildenden!).
  • JA: Im Gegensatz zum Stereotyp des „weltfremden Provinzlers“ wird Integration vor allem in lebendigen Dorfgemeinschaften tagtäglich gelebt.
  • JA: Auch der Sport (v.a. Fußballvereine) dient als Integrations-Katalysator. Viele junge Geflüchtete spielen in bayerischen Vereinen Fußball.

Was ist weiter zu tun ?

  • Wir brauchen auch in Zukunft ein starkes ehrenamtliches Engagement, das sich auch sich längerfristig vorhanden ist. Ohne die auf dem Land engagierten Helferkreise könnte die Integration nicht funktionieren. Es darf aber nicht sein, dass das Engagement dieser Personen durch falsche Entscheidungen in München zerstört wird (z.B. grundsätzliche Auflösung aller dezentralen Einrichtungen, die bisher vorbildlich betreut wurden und jetzt in große GUs z.B. in Kasernen) umgewandelt werden (Beispiel: Lkrs. Kitzingen)

2. Was tun gegen den wachsenden Rassismus in der Gesellschaft?

  • Politik darf nicht den Eindruck entstehen lassen, dass Einheimische gegenüber Asylbewerbern und Flüchtlingen vernachlässigt werden.
  • Wer Fremde / Flüchtlinge / Asylbewerber persönlich kennenlernt und ihre Schicksale kennt, denkt nicht mehr rassistisch. Deshalb Kontakte zwischen Bürgern und Migranten durch gemeinsame Feste und Kulturveranstaltungen fördern.
  • Rassistische(extremistische, antisemitistische oder terroristische) Einstellungen hängt oft mit fehlender politischer Bildung zusammen und so entsteht ein antidemokratisches Weltbild. Politische Entscheidungen müssen intensiver erklärt werden, um falschen Eindrücken in der Gesellschaft vorzubeugen. Dazu muss die politische Bildung gestärkt werden. Das Stichwort lautet: Extremismus auch durch Bildung bekämpfen. Prävention durch gelebte Demokratie. Gelebte Demokratie heißt u.a.: mehr Partizipation der jungen Menschen; sie müssen in politische Entscheidungen mit einbezogen werden und müssen auch lernen, Toleranz nicht nur zu lernen, sondern auch zu leben. Ein konkretes Beispiel ist hier Service Learning; dies verbindet schulisches Lernen mit gesellschaftlichem Engagement oder dies bedeutet: Engagement für Andere. Schüler arbeiten bei gesellschaftlichen Projekten bzw. in Behörden oder Instituten. Beispiele: Schüler als Streetworker im Rahmen im Rahmen der Drogenprävention, Schüler aktiv in KITAs oder in der Hausaufgabenhilfe oder in der Verbraucherberatung oder in Stadtverwaltungen tätig. Hier lernen sie Verantwortung bzw. gelebte Demokratie.
  • Gleichwohl ist es im Zuge des Zustroms von Schutzsuchenden in aller Welt seit 2015 zu einem Anstieg von Straftaten gegenüber Flüchtlingsunterkünften gekommen.
  • Beseitigung der sozialen Missstände (Altersarmut, Jugendarbeitslosigkeit, Hartz4) im eigenen Land verhindert Neidgefühle und somit Abneigung gegen soziale Mitbewerber/Konkurrenten.
  • Aufklärung über die wahren Hintergründe von Flucht: eigenes Konsumverhalten, Waffenexporte, Rohstoffausbeutung, Landraub und Vertreibung durch Konzerne, Marktzerstörung für Lebensmittel und Kleidung in den Herkunftsländern, unsoziale und ausbeuterische Geldanlagen. Wir tragen (Mit)schuld, wir sind (Mit)ursache!

Was ist weiter zu tun ?

  • Hilfreich kann sein, wenn man sich dem Dialog, auch mit von der etablierten Politik enttäuschten Bürgern bzw. Wutbürgen stellt.

3. Herausforderungen sozialer Integration: Wohnen, Arbeitsmarkt, Gesundheit, Bildung

  • Wohnen:
    • Es bedarf stärkerer Investitionen in den Wohnungsbau, sowohl auf dem Land, als auch in der Stadt
    • Es herrscht ein Mangel an adäquaten Mietwohnraum auf dem Land, so sind viele junge Menschen oft fast gezwungen, in die urbanen Gebiete zu ziehen (damit einhergehende Zuspitzung des Wohnkonflikts in Ballungsregionen!)
    • Hier muss überlegt werden, wie man die Schaffung von Mietwohnraum auf dem Land attraktiver und preiswerter gestalten kann
  • Arbeitsmarkt:
    • Hinsichtlich der Arbeitsmarktintegration dürfen vonseiten der Staatsregierung den Unternehmen und Asylsuchenden keine unnötigen Steine in den Weg gelegt werden (à IMS des Innenministeriums, 3+2).
    • Es braucht einen einheitlichen und klaren Verwaltungsvollzug, es darf nicht sein, dass von Landkreis zu Landkreis unterschiedliche Maßstäbe herangezogen werden und dies mit dem schönen Begriff „Spielraum“ kaschiert wird.
  • Gesundheit
    • Integration im Gesundheitsbereich setzt zunächst das Verständnis der deutsche Gesundheitssystems voraus. Insofern bietet das Projekt „MiMi – mit Migranten für Migranten“ (ausgebildete Gesundheitsmediatoren)sehr sinnvolle Ansätze, die aber auch flächendeckend angeboten werden müssten. Derzeit gibt es diese Personen und 9 bayer. Städten
    • Es muss sichergestellt werden, dass gerade Präventionsangebote auch Menschen mit anderen kulturellen Hintergründen erreichen. So betreiben 36,5% der deutschen Frauen einmal pro Woche Sport, aber nur 8,2% der nichtdeutschen Frauen. Vor dem Hintergrund der Adipositas-Prävention wäre dies wichtig.
  • Bildung
    • Weiterentwicklung der Schule zu einer interkulturellen und die natürliche Mehrsprachigkeit wertschätzenden Institution.
    • In unserer pluralistischen Gesellschaft sollte Schule zu einer Anerkennungskultur beitragen. Dies ist auch der Beitrag der Schule zu einer Gesellschaft, die die Leistungen der Bürger und Bürgerinnen mit Migrationshintergrund schätzt und die Potentiale von Kinder und Jugendlichen erkennt und wertschätzt.
    • Mit der Forderung nach einer interkulturellen Schul- und Unterrichtsentwicklung ist gemeint, einen veränderten Blick der Institution Schule zu entwickeln: So müssen sowohl die in der Schule verantwortlich Handelnden auf die durch Migrationsprozesse veränderte gesellschaftliche Realität vorbereitet werden. Zum anderen geht es auch um eine Anpassung der Institution in ihren Strukturen, Methoden, Curricula und Umgangsformen an eine in vielen Dimensionen plurale Schülerschaft.
    • Es braucht zum einen mehr Schulpsychologen im Schulsystem und zum anderen brauchen die bereits im Schulsystem befindlichen Schulpsychologen dringend mehr (Anrechnung-)Stunden für ihre schulpsychologische Tätigkeit.
    • Es muss mehr Lehrkräfte mit der Ausbildung „Deutsch als Zweitsprache“ im Schulsystem geben und die Universitäten müssen hier die Voraussetzungen schaffen. Hierzu gilt es, ein entsprechendes Ausbildungsangebot bereits an allen Universitäten anzubieten. Konkret fordern wir: Die Einrichtung von einem bzw. mehreren Lehrstühlen für Deutsch als Zweitsprache in Bayern. Möglichst in allen Übergangsklassen soll eine DAZ-Lehrkraft zur Verfügung stehen Zudem sind mehr Fortbildungsangebote für Lehrkräfte im Bereich der „interkulturellen Bildung“ auf zentraler, regionaler und schulinterner Ebene zu schaffen.
    • Allgemein kann darauf verwiesen werden, dass Ganztagsschulen aber auch Angebote von Schulen mit Sportvereinen ausgebaut bzw. gestärkt werden müssen, da sie einen wichtigen Beitrag zur Integration leisten können.
    • Auch wäre die Forderung nach mehr politischer Bildung (früherer Beginn des Sozialkundeunterrichts) ggfs. Einzubringen, da zu einer erfolgreichen Integration auch das Verständnis sowie die aktive Beteiligung an unserer Gesellschaft gehört.

4. Integration gelingt nur, wenn sich die Strukturen verbessern

Damit Integration gelingt, muss Integration auch in den Kommunen durch Integrationsbeiräte und Integrationsbeauftragte deutlich aufgewertet und flächendeckend umgesetzt wird. Wir wollen keine neue Strukturen (z.B. Schaffung von neuen Integrationszentren wir u.a. in Nordrhein-Westfalen, sondern die bestehenden Strukturen quantitativ und qualitativ verbessern. Bestehende Strukturen sind Integrationsbeiräte und/oder Integrationsbeauftragte. Von 72 Landkreisen haben nur 27 einen Integrationsbeirat, das sind lediglich 38 % (Oberpfalz und Oberfranken nur jeweils 1, Schwaben, Mfr jeweils 7, Oberbayern, Ufr. jeweils 4 und Niederb.3). Der Integr.beirat der Stadt Erlangen umfasst 23 Mitglieder. Obwohl der Städtetag Beiratsgründung seit Jahren empfiehlt, gib es sehr viel Zurückhaltung, weil dies ja angeblic

h eine freiwillige Leistung ist. Wenn Integration vor Ort in den Kommunen gelingt und Integration seit 2017 eine zentrale Aufgabe auch des Freistaates ist, dann müssen wir „aufrüsten“ (natürlich unter der Berücksichtigung der kommunalen Selbstverwaltung).

  • In jedem Landkreis und in kleineren Städten in Bayern muss es einen Integrationsbeirat geben.
  • Sinnvoll ist es auch, wenn in jeder Kommune ein Sachbearbeiter für das Thema Integration zuständig ist und in großen Städten sollte der Integrationsbeauftragter eine zentrale Rolle besitzen (z.B. Ingolstadt: direkte Zuordnung zum Oberbürgermeister)
  • Die Staatsregierung muss dies unterstützen; dies soll dann durch eine gesetzliche Verankerung geschehen (wie z.B. Rheinland-Pfalz, Hessen und Nordrhein-Westfalen)
  • Dafür sind im Haushalt entsprechende Mittel bereitzustellen
  • Die Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte in Bayern macht hervorragende Arbeit und sollte vom Freistaat noch aufgewertet werden (sollte die gleiche Stellung und wie der Integrationsrat der Staatsregierung besitzen): Begründung: Die AGABY ist einZusammenschluss der Integrationsbeiräte in Bayern. Im Hinblick auf den Satz: Ob Integration gelingt oder missling, entscheidet sich in den Kommunen ist es klar und logisch, dass die AGABY im Rahmen im der Umsetzung der Integration eine entscheidende Rolle hat.

Tagungsflyer zum Download  (PDF / 1 MB)